Kepler und das Stapelproblem: endlich bewiesen!

So einfach es sich im ersten Moment auch anhört: das ideale Stapeln von runden Körpern ist weit komplexer als gedacht. Mit dem mathematischen Problem beschäftigten sich unzählige Mathematiker, fast 400 Jahre lang. Begonnen hat alles mit dem deutschen Mathematiker, Astronomen und Naturphilosophen Johannes Kepler. Neben den Kepler-Gesetzen ist auch die keplersche Vermutung unter Fachleute bekannt. Kürzlich wurde die Vermutung mithilfe einer Software durch den Mathematiker Thomas Hales aus den USA bewiesen. 1998 war er es, der Johannes Kepler erstmals – damals ohne Computerbeweis – recht geben konnte.

1) Zurück ins Jahr 1606

Kepler erhielt ein Schreiben eines britischen Mathematikers mit folgender Aufgabe: Wie werden Kanonenkugeln am platzsparendsten, also am dichtesten verstaut? Kepler überlegte und kam zu der Lösung, die Kugeln versetzt aufeinanderzustapeln in Form einer Pyramide. So rutscht jede Kugel in den Zwischenraum der darunterliegenden Kugeln. Zur besseren Veranschaulichung denkt an den Obsthändler auf dem Markt, der seine Orangen nach genau diesem Konzept stapelt. Kepler berechnete, dass mit dieser Konstruktion 74,048 Prozent des Raumes ausgefüllt sein würden. Würden die Kugeln direkt gestapelt, wären es nur rund 52 Prozent. Doch ein richtiger Beweis lag nicht vor, daher sprachen Mathematiker bei diesem Problem lange von der keplerschen Vermutung.

2) Mathegenie Thomas Hales

Thomas Hales stieß 1982 als Gaststudent in Cambridge zum ersten Mal auf dieses mathematische Problem, was ihn nicht mehr losließ. Hales sieht die Mathematik anders; er fühlt sie, erkennt Muster schneller als andere; Studenten nennen ihn ein Genie. Dies lässt sich bestätigen, schaut man sich seinen Lebenslauf an: Bachelor und Master in Stanford, danach nach Cambridge, in Princeton machte er seinen Doktor und lehrte dann unter anderem an der Harvard-Universität. Seit 2001 ist er außerdem Professor an der angesehenen University of Pittsburgh.

Erst 1994 verfasste Hales in Princeton seine ersten Aufsätze zum bekannten Problem von Kepler. Es folgten unterschiedliche Lösungswege, viele Strategien, die er alle wieder verwarf. Er fing immer wieder von vorn an. So ging das eine ganze Weile. Nach dem Wechsel an die Universität Michigan grübelte er weiter und konnte die Vermutung von Kepler auf etwa 100 Fälle reduzieren. Nun ging die Detailarbeit los: Jeden Fall rechnete er durch, erstellte Lösungswege, Gleichungen, und das jeden Tag. Es dauerte lange, bis Hales die Fälle geprüft hatte. Zwischendurch musste er sogar alle Rechner des Campus zusammenschließen, um die Rechenleistung zu erhöhen. Die Arbeit kostete viele Nerven und schlaflose Nächte. Aber all das sollte sich auszahlen, als 1998 die Berechnungen ihr Ziel erreichten.

3) Kepler hatte recht

Doch der ganze Aufwand und Stress war an diesem Punkt noch nicht vorbei. Nun ging der Beweis an die Gutachter, die feststellten, dass der Beweis im Wesentlichen korrekt war. Wirklich zufriedenstellend war das für Hales nicht. Er hatte sich mehr erhofft, denn er war sich sicher, dass Kepler mit seiner Vermutung richtig lag.
Veröffentlicht wurde der Beweis erst 2005 in einem bekannten Fachmagazin, aber eine große Enttäuschung für Hales, ohne Gewähr. Die Gutachter hatten die Codes nicht vollständig überprüft. Es war schlichtweg zu viel. Doch Hales war das nicht genug. Er wollte den Beweis, nicht nur für sich, sondern auch für Kepler. So lange hatte es gedauert, die Anerkennung und auch die Logik dahinter sollten nicht einfach so untergehen. Die Gutachter, so wichtig ihre Arbeit auch ist, sind keine Computer, sondern Menschen. Und die Grenzen, an denen die Menschen scheitern, können meist nur von Maschinen und Computern überschritten werden.

Das dachte sich auch Hales und beschloss eine Software zu entwickeln, die eine stringente Beweisführung möglich und Gutachter weitgehend überflüssig machen würde. Allerdings schätzte Hales, dass ein erneuter Beweis per Software einen Arbeitsprozess von Jahrzehnten in Anspruch nähme. Ein langer Weg lag vor ihm. Skepsis und Kritik erreichten ihn von anderen Mathematikern: Auch Computer würden Fehler machen.

4) Beweis mittels Beweisassistenten

Doch Hales war clever und schaltete drei der sogenannten Beweisassistenten hintereinander, damit jeder Assistent den anderen kontrollieren und somit nichts schiefgehen konnte. So weit, so gut. Doch das nächste Problem ließ nicht lange auf sich warten: fehlende Rechenkapazität für den riesigen Berg an Daten. Durch einen glücklichen Zufall erhielt Hales 2014 nach dem Besuch bei einer Konferenz Hilfe von einem Kollegen und auch von Microsoft. Es dauerte nicht lange. Nach intensiver Arbeit konnte Hales bereits nach vier Wochen seinen Erfolg feiern. Er stellte den kurzen, prägnanten Beweis mittels Beweisassistenten der Öffentlichkeit vor und setzte damit neue Maßstäbe in der Beweisführung.

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Über den Autor

Meine Leidenschaft sind die Zahlen. Als Mathe- und Physiklehrer der 8. bis 10. Klasse versuche ich mein Bestes, den Schülern, die Welt der Zahlen näher zu bringen.

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